Von Cube versteht den Prozeß des Lernens als Ursache für eine Verhaltensänderung. Die von ihm benutze Redundanztheorie des Lernens ``geht von der Annahme aus, daß nur durch die Aufnahme, Speicherung und Verarbeitung von Information ein verändertes Verhalten in einer späteren gleichartigen Situation erklärt werden kann.''siehe
Lernen ist somit direkt mit dem Begriff der Information verbunden. Er meint damit Information in dem Sinne, wie ich sie im letzten Abschnitt charakterisiert habe. Als Grundprinzip aller Lernakte sieht von Cube den Abbau dargebotener Information:
``Betrachtet man die angeführten Lernakte [...], so entdeckt man bei aller Vielfalt der Erscheinungen ein gemeinsames Prinzip: das Prinzip zunehmender Sicherheit und Ordnung. Je mehr Informationen wir von der Außenwelt aufnehmen, und je mehr wir diese Information gemäß den wirklichen Sachverhalten ordnen, um so weniger Information bleibt übrig, d.h., um so leichter ist es, sich in der Außenwelt zu orientieren und angemessen zu verhalten.''sieheLernen ist eine Auseinandersetzung mit Neuem. Das zu Lernende hat einen Informationsgehalt, sonst wäre es schon bekannt. Lernen besteht nun daraus, aus dem Neuen etwas Bekanntes zu machen. Der Informationsgehalt wird durch das Lernen so lange verringert, bis aus Neuem Bekanntes geworden ist. Dies bezeichnet von Cube als ``Abbau von Information''. Er erläutert dies beispielhaft am Lernakt der Einsicht:
``Wird man einem Problem gegenübergestellt, so steht man - wie ein sehr treffender Vergleich lautet - erst einmal ´vor einem Berg´. Man weiß nicht, wo man anfangen soll, welche Möglichkeiten zum Ziel führen und wie die einzelnen Teile des Problems zusammenhängen. Aber nach und nach wird dieser Berg abgebaut, es werden Zusammenhänge aufgedeckt, Überblicke gewonnen, Ordnungsgewinne erzielt. Damit wird aber die Information, die das Problem für uns enthält, immer kleiner.''siehe
Bei der Analyse des Auswendiglernens eines Textes wird der Abbau von Information, und dies ist nichts anderes als die Erzeugung von Redundanz, noch deutlicher:
Liest man den neuen Text zum ersten Mal, so ist sein Informationsgehalt maximal.siehe Nach und nach nehmen wir Teile des Textes in unser Gedächtnis auf und verringern dadurch den Informationsgehalt des Textes, denn nur noch die Teile, die uns noch nicht geläufig sind, tragen Information in sich. Ein auswendig gelernter Text hat die Information Null, seine Redundanz ist maximal.siehe
Ein Kritiker mag nun einwenden, daß Lernen weitaus mehr ist als die Aufnahme von Information. Auch wenn ich Rilkes ``Panther'' bereits auswendig kenne, kann ich Neues über das Gedicht lernen, wenn ich es im Zoo vor einem Raubtierkäfig lese. Lernen ist, über das reine Aufnehmen hinaus, ein Auseinandersetzen mit dem Objekt, ein Ringen, ein ständiges Neuentdecken.
Wie kann ich ein Objekt, das ich bereits kenne, neu entdecken? Nur dadurch, daß ich es unter dem Licht neuer Assoziationen sehe. Es geht also um die Bedeutung des Objektes, um seine Einordnung im Netzwerk von anderem Wissen.siehe Die Bedeutung eines Signals ist jedoch - im Rahmen der Redundanztheorie des Lernens - einer quantitativen Bewertung nicht zugänglich. Wenn wir quantitative Aussagen über Lernprozesse machen wollen, können wir nur den syntaktischen Gehalt einer Information betrachten.
Doch auch ein Kritiker des Ansatzes von von Cube wird kaum widerlegen können, daß ein wesentlicher Schritt beim Erlernen von Neuem die Aufnahme von Information ist. Daher möchte ich mich auf diesen Aspekt von Lernprozessen beschränken. Es wird sich zeigen, daß diese quantitative Betrachtung eine Erklärung bietet, warum das Neu-Entdecken eines bekannten Objektes einen Wissenszuwachs bewirkt.