Wer mathematischen Theorien grundsätzlich mit Skepsis begegnet, den mögen die Aussagen der kybernetisch-informationstheoretischen Didaktik an folgende Geschichte erinnern:
Zwei Pädagogen unternehmen eine Ballonfahrt. Plötzlich kommt dichter Nebel auf und sie verlieren die Orientierung. Nach zwei Stunden lichtet sich der Nebel ein wenig und sie sehen einen Menschen, der unterhalb des Ballons auf der Wiese steht. Sie rufen ihn an, in der Hoffnung zu erfahren, wohin der Ballon sie getragen hat: ``Hallo, Sie da unten! Wo sind wir?'' Der Mensch am Boden denkt kurz nach und antwortet ihnen: ``In einem Ballon!''. Daraufhin stöhnt einer der Pädagogen frustriert: ``Ein Mathematiker!''. ``Woher weißt Du das?'' fragt sein Kollege. ``Seine Antwort war exakt, aber absolut belanglos!''
Ich denke allerdings, daß die kybernetisch-informationstheoretische Didaktik durchaus etwas dazu beitragen kann, Orientierung zu finden. Wenn man ihre Modellannahmen berücksichtigt, insbesondere die Tatsache, daß der Informationsbegriff nicht den semantischen Anteil eines Zeichens berücksichtigt, so kann sie wissenschaftliche Argumente für die Funktionsweise von Lehrstrategien liefern. Von Cubes Analyse des exemplarischen Lernens ist ein gutes Beispiel dafür.
Die Beschreibung von Erziehung als Regelkreis ist ein Möglichkeit, den Kommunikationsprozeß zu modellieren. Sie hat den Vorteil, zum einen abstrakt zu sein und somit alle Formen des Schulunterrichts zu umfassen, und zum anderen den Vergleich zu anderen kybernetischen Systemen zu ermöglichen. Die Verwendung der Informationstheorie macht es möglich quantitative Aussagen in didaktischen Zusammenhängen zu machen.
Das Fehlen des semantischen Aspektes ist aber ein wesentliches Problem. So kann ich, selbst wenn ich Rilkes ``Panther'' auswendig kenne, der Text also für mich den Informationsgehalt 0 hat, beim Lesen des Textes in einem Zoo durchaus noch Information erhalten. Objektiv meßbar ist diese Information allerdings nicht.
Ein wesentliches Problem scheint mir auch in der Anwendbarkeit der Analysemethoden zu liegen. Von Cube betrachtet unter quantitativen Aspekten nur Zusammenhänge, in denen die Zeichen einer Botschaft aus einem sehr scharf begrenzten Zeichenvorrat kommen. Es sind fast ausschließlich Buchstaben in Texten. Die genaue Kenntnis des Zeichenvorrates ist eine Notwendigkeit, um Rechnungen durchführen zu können, aber im Zusammenhang mit Unterricht wohl doch eher ein Ausnahmefall.
Die qualitativen Aussagen der kybernetisch-informationstheoretischen Didaktik scheinen mir jedoch für alle Lernprozesse wichtig zu sein. Das Bilden und Anwenden von Superzeichen ist ein wesentlicher Aspekt menschlichen Lernens. Dies zeigt auch gerade ein Vergleich des menschlichen Lernverhaltens gegenüber dem von Maschinen. Ein wichtiger Forschungsschwerpunkt im Rahmen der Mustererkennung besteht darin, die menschliche Fähigkeit, schnell Superzeichen bilden zu können, für Maschinen nachzubilden.
Die stärkste Anwendung der Erkenntnisse kann sicher in Unterrichtsformen wie dem programmierten Unterricht stattfinden, auf die von Cube auch ausführlich eingeht. ([Cube68], S. ). Hier ist die genaue Kenntnis des Zeichenvorrates am ehesten gegeben, der Unterricht läßt also auch quantitative Aussagen zu. Die Funktionsweise der menschlichen Informationsaufnahme und ihrer Verarbeitung wie sie in der kybernetisch-informationstheoretischen Didaktik modelliert wird, scheinen mir allerdings in der Betrachtung aller Lernprozesse und Lehrstrategien gewinnbringend.