Wo ist denn der Unterschied?

Eine sehr wichtige und prägende Zeit meines Lebens verbrachte ich im Westerwald. Dort wurde ich erstmalig sozialisiert. Das bewirkte, dass ich mich in fast allen anderen Gebieten des Universums fremd fühle, und in den meisten Regionen des Kosmos gar nicht als Lebensform zähle. (Ein Paläobiologe meinte einmal, meine Art zu essen erinnere Ihn an eine primitive Qualle...). Aber ich sollte mich nicht zu sehr selbst feiern, sondern endlich zur Sache kommen.
Als Waldmensch musste ich mich natürlich auch als Waldarbeiter und Holzfäller beweisen (wie ich schon an anderer Stelle andeutete). Neben dem Trinken von Alkohol ist dies eine der wichtigsten Tugenden, die einen Mann zum Mann machen. Obwohl mein motorisches Geschick weit unterhalb der Messgrenze aller psychologischen Tests liegt, kam ich jedoch so gut mit Motorsäge, Axt, Schäleisen und Bierkasten zurecht, dass mich verschiedene Förster wiederholt anstellten.
eine Stihl-Kettensäge, mit der sich wundervolle Arbeiten in Holz und Fleisch anfertigen lassen
In einem Jahr arbeitete ich zusammen mit J. (dessen Namen ich zum Schutz der Person und seiner Familie geändert habe) im Forstrevier von Förster S. (dessen Namen ich zum Schutz der Person und seiner Zunft geändert habe). Nachdem wir schon ein paar Tage verschiedene Arbeiten erledigt hatten, sagte uns Meister S.s, dass wir als nächstes eine Schonung von Fichten durchforsten sollen. Er habe die Bäume, die wir mit der Motorsäge niedermetzeln sollen markiert.
"Bäume niedermetzeln gut!" dachten J. und ich, auch in der Hoffnung, dass wir vielleicht zufällig den ein oder anderen Spaziergänger mit erledigen könnten.

ein unschuldiges Stückchen Fichtenwald von der Größe Bottrops - bevor wir mit unserem Werk anfingen
Nachdem wir uns mit Hilfe von einer Handvoll Bierflaschen auf die Aufgabe vorbereitet hatten führten wir den vorgeschriebenen Kriegstanz auf und fuhren endlich zum Ort des Happenings. Es handelte sich um ein Stück dessen Größe so zwischen der einer üblichen Plattenbauwohnung und der des Saarlandes lag. Der Bewuchs bestand aus ca. 20 Jahre alten Fichten. Mehr konnte ich auf den ersten Blick nicht erkennen.
J. sprang sofort aus dem Auto, startete im Sprung seine Säge und werkelte mit dem Engagement eines brandschatzenden Hunnen drauf los. Ich war wiedermal nicht so fix wie J. (der später auch eine richtige Karriere außerhalb des Waldes machte), musste ich schließlich noch meine Säge tanken und die Kette spannen, bevor ich der netten Schnitzerei beiwohnen konnte, die mein Mitstreiter schon so liebevoll begonnen hatte.
Nachdem ich den Tank der Säge befüllt und mich auch noch ein klein wenig um meinen eigenen Tank gekümmert hatte, gesellte ich mich zu J., der schon eine böses Gemetzel unter den wehrlosen Nadelbäumen veranstaltet hatte. Mit den letzten Resten meines ohnehin sparsam entwickelten Verstandes gelang es mir noch den Arbeitsauftrag des Försters zu memorieren: "Du machen markierte Baum kaputt. Nix markiert nix kaputt!". Klang klar, prägnant und stilistisch sicher.

ich wachse mit meinen Aufgaben
Dummerweise gab es aber drei Sorten von Bäumen, naturbelassene ohne Markierung, solche mit einem grün aufgesprühtem Punkt und solche mit einem orangen Punkt. Welche davon sollte ich jetzt töten? Sicher nicht die ohne Mal. Aber waren die grün oder die orange markierten Jungfichten dran? Da Johannes schon einige der Biester erledigt hatte, wusste er sicher, welche gemeint waren. Mit etwas Aufwand gelang es mir ihn in seinem Blutrausch zu unterbrechen und folgenden Dialog zu führen:
--------------A.: "Du, sach mal, welche Bäume sollen wir denn abholzen?"
--------------J.: "Die markierten!"
--------------A.: "Ja, aber welche davon? Es gibt doch zwei verschiedene Markierungen."
--------------J.: "Wo ist denn da der Unterschied?"

In diesem Moment fiel mir wieder ein, dass J. rot-grün-blind war...

Natürlich hätten wir den Förster fragen können, welche Bäume tatsächlich sterben sollten. Aber andererseits hatte J. schon von jeder Sorte ein paar gefällt. Und außerdem ist zuviel reden weibisch. Da wir sehr konsequente Arbeiter waren, gab es nur eine logische Vorgehensweise. Alles muss ab! Am Abend des Tages hatten wir unser Werk vollendet. Ein bisschen fühlte ich mich wie Hannibal Lector. Ein gutes Gefühl.


...ausserdem ist ein solide Steppe auch was schönes.


ein unschuldiges Stückchen Steppe von der Größe Bottrops - nachdem wir unser Tagwerk vollbracht hatten.



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last change: 01-05-2002