The Home of 


Vor einigen Jahren, als ich noch jung, unerfahren und damit mutig war, bereiste ich "Gods own country" - die Vereinigten Staaten von Amerika. Da ich unbedingt das Land erkunden wollte, wie immer aber kein Geld für einen Mietwagen hatte, nutzte ich eine Sache, die ich gerne weiterempfehle: Auto-Drive-Away (das issn Link).
Wenn ein Amerikaner von einem Ort in einen andern umzieht - das macht er gern und oft - liegen zwischen beiden Orten schon mal ein paar Tausend Meilen. Er packt frohgemut seinen Hausstand auf einen LKW und schickt diesen auf die zermürbende Fahrt. Anschließend holt er sich ein Flugticket und fliegt gemütlich in die Stadt, die er von nun an "Zuhause" nennen will. Stellt sich nur die Frage, wie er sein Auto, ohne dass jeder US-Amerikaner völlig lebensunfähig ist, in seine neue Heimat schafft? Dafür gibt es die Autodriveaways. Und mich. 
An einem solchen Autodriveaway gibt ein Umzugsamerikaner seinen Wagen ab. Menschen wie ich melden sich dann bei diesen Büros (zum Beispiel in Greensboro, North Carolina) und sagen: "Ich möchte nach Westen, so Richtung Colorado reisen, gibts ein Auto in diese Richtung zu überführen?". Als Antwort bekommt man dann: "Jo, da steht ein Jaguar vor der Tür, der soll nach Boulder. Das liegt direkt neben Denver. Du hast 5 Tage Zeit, darfst sounsoviel Meilen fahren und musst den Sprit selbst zahlen."
Ich denke mir "Prima, da kann ich ja noch ein paar Abstecher machen - Benzin kost ja nix bei den Imperialisten" und zahle lustig pfeifend die Kaution, die ich in Colorado wiederbekommen soll.

Ein Jaguar, der Wartburg der Briten.
Bei der Besichtigung des Wagens sagt die dicke Dame aus dem Büro dann: "Junge, der Kofferraum ist tabu für Dich! Die Besitzerin hat da noch Kram drin und besteht darauf, dass Du den Kofferraum nicht benutzt." Kein Problem für mich. Als Weltenbummler habe ich sowieso nur einen Schlafsack, ein Schweizer Messer und den Brockhaus dabei. Das passt locker auf die Rückbank. 
So fahre ich also los - immer gen Westen. Nach 400 Kilometern glaube ich wirklich, dass die Sitzheizung stärker als die Klimaanlage ist und stelle die Heizung für den Rest der Fahrt ab. Schließlich ist es selbst in Tennessee im August warm genug um ständig zu schwitzen. 
Nach 1500 km muss ich mal für kleine Westerwälder. Ich mache kurzentschlossen in Illinois, nahe der Grenze zu Kenntucky an einem Rastplatz ein Pause und überschwemme die Herrentoilette. Als ich wieder zum Wagen zurück komme und mir eine Ich-bin-so-cool-weil-ich-im-Jaguar-reise-Zigarette gönne, stelle ich fest, dass der Reifen hinten rechts, Risse hat. Risse, die den Grand Canyon stolz machen würden. 
"Oh, Scheiße! Ich habe nochmal über tausend Meilen vor mir, bevor ich den Wagen abgebe!", denke ich mir. Ich sage aber nur "Fuck!", schließlich bin ich ja schon ein paar Wochen in USA und habe gelernt, wie man sich zu benehmen hat.

Truckerfreude nach einem Reifenwechsel
Da ich in meiner Jugend alle Folgen von "Auf Achse" gesehen hatte, weiß ich, wie ich mich in einer solchen Situation zu verhalten habe: "Ich muß den Reifen wechseln!" Einen Ersatzreifen findet man üblicherweise im Kofferraum. Ja, der Kofferaum ist tabu, aber besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen.
Ich öffne siegesbewußt den Kofferraum und finde dort eine ganze Menge amerikanischen Unrat: Die häßlichste Pelzjacke der Welt, ein paar muffige Cowboystiefel, einen Fernseher (hatte mich auch schon gewundert, wie ein Ami Auto fahren kann, ohne dabei Fern zu schauen), einen Karton voller Munition und ein Gewehr. Ein Gewehr?! "Fuck!"
Ich weiß, dass es keinesfalls in allen Staaten erlaubt ist Waffen zu besitzen. Und für einen deutschen Wandersgesellen ist es sicher in noch weniger Staaten erlaubt eine Waffe zu besitzen. Nach ein wenig heulen und zähneklappern packe ich meine noch vorhandenen Mut zusammen und wandere zur nächsten Tankstelle. 
Wie erwartet, sieht der Tankstellenmann so aus, als ob er alles über illegalen Waffenbesitz weiß. Nach ein bißchem supercoolem Smalltalk erkläre ich ihm mein Problem. Seine Antwort besticht durch eine hammerhafte Überzeugungskraft: "Jungchen, wenn Du auch passende Munition im gleichen Wagen hast, hast Du ein Problem.
Ich habe ein Problem. Sogar zwei, denn der Ersatzreifen im Kofferraum ist auch kaputt. Aus mir nicht ganz transparenten Gründen habe ich plötzlich das Bild eines Sträflings vor Augen.

Jedes Jahr werden hunderte Mathematiker in den USA inhaftiert.
Der Inhalt des supercoolen Smalltalks beschäftigte sich größtenteils mit Jaguars und Ersatzreifen. Dabei habe ich erfahren, dass in ein paar Meilen die Abfahrt nach Metropolis käme und ich dort eine 0,7 prozentige Chance habe, eine Ersatzreifen für meinen Wagen zu ersteigern. Nun ist 0,7 Prozent nicht das, was das Herz eines Stochastikers höher schlagen läßt, aber irgendwie kommt mir der Name Metropolis vertrauenswürdig vor.

Unscharf aber cool!
Bei der Einfahrt in den Ort, weiß ich auch sofort wieso Metropolis in meinen Ohren nach Heimat klang.. Auf dem Ortsschild steht Metropolis, Home of Superman (das letzte Metropolis ist ein Link). Superman, alias Clark Kent, Held meiner Jugend, der sogar Winnetou wie ein Weichei aussehen läßt. Hey, hier kann ich nur Glück haben. Bei der Suche nach einem Reifenhändler komme ich am Rathaus vorbei und - Mutter aller Comic-Helden - die haben vor dem Rathaus ein vier Meter hohes Denkmal für Supie. WOW!! That kicks ass! 
Ein Supermanmuseum gibts auch. Und vierhunderttausend Fanartikel. Und Superman-Reifengeschäfte, die keine Jaguar-Reifen haben. Echt klasse alles.
Nach zwei Stunden Suche finde ich dann einen Laden, der genau einen Ersatzreifen für Jaguars hat. Für lumpige 80 Dollar kaufe ich das Teil und lasse es aufmontieren. Die Quittung nicht vergessen und dann wieder ab auf den Highway. Diesmal aber schön an die 65 Meilen Geschwindigkeitsbegrenzung halten, denn schließlich liegt im Kofferaum eine Knarre. Okay in dem langweiligen Kansas kann man auch mal 250 fahren, aber bitte nur wenn keine Cops in der Nähe sind.
Ich hatte mir vorgenommen die Besitzerin des Wagens in Bolder so richtig zur Sau zu machen. Weinen soll sie. Den letzten Rest ihres Gewissens werde ich solange unter Beschuss nehmen, bis sie um Vergebung bettelnd vor mir auf dem Sand kriecht. Einfach einen unbescholtenen Europäer mit illegalen Waffentransporten zu linken. Alte Hippe!
Nachdem mir die Dame 70 Dollar Trinkgeld gegeben hat, was ziemlich genau die Spritkosten für die Fahrt von North Carolina nach Colorado sind, habe ich plötzlich einen Anfall von Vergebungssucht und trolle mich ohne ein Wort des Grolls meiner Wege. Kurze Zeit später lerne ich dann jemand kennen, der mir ein Tatoo designt. Aber das ist eine andere Geschichte...


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last change: 26-12-2001